Der Europäische Gerichtshof hat die SNCF kritisiert, weil sie bei der Online-Buchung von Fahrkarten die Auswahl zwischen „Herr“ und „Frau“ vorschreibt. Diese Praxis wird als ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und als potenziell diskriminierend angesehen.

Das Urteil des EuGH untersagt es Unternehmen, beim Online-Kauf von Dienstleistungen die Pflicht zur Auswahl eines Titels (Herr/Frau) zu verlangen, wie auf der Website der SNCF zu sehen © Alexandre Boero / Clubic

In einem Urteil, das am Donnerstag, den 9. Januar 2025, gefällt wurde, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) zugunsten des Verbands Mousse, der die von der SNCF geforderte Auswahl zwischen „Herr“ und „Frau“ beim Ticketkauf angefochten hatte.

Diese Entscheidung des EuGH könnte die derzeitigen Geschäftspraktiken erheblich beeinflussen und weitreichende Konsequenzen für die Art und Weise haben, wie Unternehmen personenbezogene Daten ihrer Kunden erfassen und verwalten.

Ein Urteil gegen die SNCF? Ein Sieg für den Datenschutz

In diesem Fall stellte der EuGH fest, dass die umfassende Erfassung der Geschlechtsidentität für den Ticketverkauf nicht „objektiv notwendig“ ist. Das Gericht unterstrich, dass eine effektive kommerzielle Kommunikation auf allgemeinen Höflichkeitsbegriffen basieren kann, ohne Geschlecht des Kunden zu berücksichtigen.

Um den Kontext zu erläutern: Der Fall nahm seinen Anfang, als der Verband Mousse die CNIL, die französische Datenschutzbehörde, kontaktierte, um die Verpflichtung der SNCF bezüglich der DSGVO zu beanstanden. Der ursprüngliche Antrag wurde abgewiesen, weshalb der Verband den Staatsrat ansprach, der schließlich die Stellungnahme des EuGH einholte.

Das Europäische Gericht betont, dass der Grundsatz der Datenminimierung, eine der Grundlagen der DSGVO, die Erhebung lediglich notwendiger Informationen vorschreibt. Daher ist das Argument der Personalisierung in der kommerziellen Kommunikation nicht ausreichend, um die verpflichtende Erfassung der Geschlechtsidentität zu legitimieren.

Folgen über den Schienenverkehr hinaus

Das Gericht weist auch darauf hin, dass die Verarbeitung von Daten zur Höflichkeit kein legitimes Interesse darstellt, wenn den Kunden nicht klar erklärt wurde, warum diese Daten erfasst werden. Dies stellt eine Anforderung dar, die Unternehmen anregt, ihre Verfahren zur Erfassung und Verarbeitung personenbezogener Daten zu überdenken.

Eine rechtliche Entscheidung von historischem Ausmaß

In seiner Entscheidung hat der EuGH drei zentrale Punkte hervorgehoben. Zunächst stellt das Gericht fest, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht durch die Notwendigkeit eines Beförderungsvertrags gerechtfertigt werden kann, da es weniger invasive Alternativen gibt. Zweitens ist das Argument der „berechtigten Interessen“ des Unternehmens nicht stichhaltig, wenn diese den Kunden nicht klar kommuniziert wurden.

Schließlich betont der EuGH, dass eine solche Erfassung möglicherweise die grundlegenden Rechte der Kunden verletzt, speziell wegen der Möglichkeit der Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität.

Diese Entscheidung ist besonders wichtig, da das Gericht seinen Schutz ausdrücklich auf Personen ausdehnt, die ihre Geschlechtsidentität verändert haben, und über die einfache Dichotomie von Mann und Frau hinausgeht.